Maximilian Hecker

THE WHEREABOUTS OF LOVE von MAXIMILIAN HECKER ist satter, üppiger und urbritisch klingender Indie-Pop. Heckers Falsett schwebt über einem Bett aus Coldplay-Gitarren, Travis-Geschrammel und Scott-Walker-Orchestralität. Eine zarte und introvertierte Strophe wechselt sich ab mit einem hymnischen Refrain, und schließlich mündet der Song in ein bombastisches Finale verzerrter Gitarren und treibenden Schlagzeuges, während Hecker immer wieder die Worte des Refrains aufnimmt: »Ich reduziere mein Herz, ich reduziere mein Herz auf ein Minimum.« Wie Paul Simon in I Am A Rock kümmert sich Hecker also offensichtlich nicht mehr um den Verbleib der Liebe – um sich zu schützen. Und muß daher berichten vom Warten in der Isolation, von der Frage, ob Zurückgezogenheit Fluch oder Segen ist, und ob Stille seine dubiose Art eines Lachens darstellen kann.

Was war passiert? Einige Monate vor dem Beginn der Arbeit an seinem aktuellen Album Mirage Of Bliss hatte Hecker sich im Rahmen eines gescheiterten Versuches, seine Muse Nana in Dogenzaka, Tokios berüchtigtem Love-Hotel- und Rotlicht-Viertel, wiederzufinden, um ihr »ihre« Platte zu übergeben, in eine japanische Fotografin verliebt und war kurzerhand ihretwegen nach Tokio gezogen. Um dann aber erneut an der Liebe zu scheitern und schon nach sechs Wochen kapitulierend nach Berlin zurückzukehren – wo er das Erlebte in Liedern verarbeitete.

Doch kannten wir Maximilian Hecker zuletzt nicht als juvenilen Kauz statt als Bombast-Popper? Auf I Am Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son, seinem letzten Album, hatte er sich noch »stripped« und von jedem Glamour befreit präsentiert, hatte Unprofessionalität als Konzept zelebriert, Konzerte am Flügel in Jogginghosen und Wollmütze gespielt, improvisiert – inklusive Temposchwankungen wie einst der dichte 66er-Dylan und eine generelle, fast pubertär anmutende Abkehr von jeglichen Attributen des Showbusiness gezeigt.

Bis er auf Youth, den britischen Starproduzenten des Millionensellers Urban Hymns von The Verve, musikalischem Partner Paul McCartneys bei The Fireman und Bassist und Gründungsmitglied von Killing Joke, trifft. Jenem hatte Hecker seine spärlichen, bloß mit einem Diktiergerät aufgenommenen Demos zugeschickt. Und tatsächlich hatte sich Youth umgehend begeistert geäußert und ein Treffen in London vorgeschlagen. Die beiden Männer sind sich sofort sympathisch und musikalisch auf einer Wellenlänge. Hecker, den Youth nach Beendigung der Aufnahmen als einen »furchtlosen Ritter in Rüstung und einen Kavallerieangriff ins Unbekannte« bezeichnen wird, empfindet das Treffen als so vielversprechend, daß sich für ihn endlich wieder der Raum öffnet, und er seinen Traum des perfekten Popalbums am Horizont aufleuchten sieht. Und so überwindet er sich schließlich, sich nun doch mit der Vorstellung an die eigentlich ungeliebte Arbeit im Studio abzufinden, um die Chance dieser einzigartigen Kooperation von deutscher, getriebener Romantik und britischer, hippie-esquer Coolness wahrnehmen zu können.

Am letzen Tag der Aufnahmen wird Youth im Kontrollraum entgrenzt und wie zurückversetzt in seine Jugend zum gesamten THE WHEREABOUTS OF LOVE tanzen, wird unvoreingenommen wie ein musikbegeisterter Teenager, nicht wie ein etablierter Produzent, die Musik feiern und diesem fast perfekten Popsong dadurch seinen Ritterschlag geben.

Maximilian Hecker Homepage
Maximilian Hecker auf Facebook

true